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Beziehungsstatus Germersheim – Studierende: Es ist kompliziert

 

Der FTSK wurde 1947 als Dolmetscherinstitut gegründet und ist seitdem - unter verschiedenen Namen - Teil von Germersheim. Man könnte also annehmen, dass der Fachbereich, der vor drei Jahren sein 70-jähriges Bestehen gefeiert hat, eine gefestigte Rolle im Stadtleben hat. Und doch scheint es einen großen Graben zwischen den Studis und den Germersheimern zu geben. Wir bleiben meistens unter uns, im wahrsten Sinne des Wortes versteckt in der Festung in der unser Fachbereich beheimatet ist, und meist unwissend über viele Dinge, die jenseits der Mauern geschehen. Dies wird immer wieder bei Veranstaltungen wie dem Festungsfest oder der Kultur- und Museumsnacht sichtbar, bei denen nur eine geringe Anzahl Studierender anzutreffen ist, weil eben viele am Wochenende zu ihren Eltern fahren. Wenn man sich dann in der nächsten Woche nach dem Unterricht über das Wochenende unterhält und beispielsweise vom Weihnachtsmarkt auf dem Kirchenplatz erzählt, bekommt man oft die Antwort „Ach, so etwas gibt es in Germersheim?“. Dieses Unwissen besteht übrigens genauso auf der anderen Seite: Beim Festungsfest 2019 wussten mehrere Menschen, die auf den Infostand von AStA und StuPa zugekommen sind, nicht einmal, dass es in Germersheim eine Uni gibt. Und auch das jährlich stattfindende Sommerfest des Fachbereichs zieht neben Studierenden und Dozierenden hauptsächlich Ehemalige an; Germersheimer, die mit der Uni nichts zu tun haben, sind dort kaum anzutreffen.

 

Das war allerdings nicht immer so: Sascha Hofmann, Erster Beigeordneter der Stadt und ehemaliger Geschäftsführer des Fachbereichs, erzählt, dass es während seines Studiums in den frühen 2000er Jahren durchaus viele Berührungspunkte zwischen Studierenden und Germersheimern gab: Zu den Mensapartys, die damals auch viel häufiger stattfanden, kamen regelmäßig Germersheimer Schüler und Jugendliche. Wegen der schlechteren Zuganbindung an umliegende Städte wie Karlsruhe und Mannheim hatte man eigentlich keine Möglichkeit, dort feiern zu gehen und deswegen keine andere „Party-Option“ als die Mensapartys. Durch den Ausbau der Zugverbindungen gibt es auch immer mehr Studis und Dozierende, die von umliegenden Städten nach Germersheim pendeln und so noch mehr den Kontakt zur Stadt verlieren, so Hofmann. Auch Thomas Fehr, der Redaktionsleiter der RHEINPFALZ in Germersheim, berichtet, dass zu Mensapartys eher andere Studierende aus Karlsruhe kommen als Germersheimer Jugendliche.

 

 

Doch auch abgesehen vom Partyleben scheint das Verhältnis zwischen Uni und Stadt abgekühlt zu sein. Thomas Fehr bezeichnet es als „Nicht-Verhältnis“ und sieht Gründe dafür auch in der schwierigen „Erfassbarkeit“ unseres Fachgebiets. „Ein Fachbereich, der an der Entwicklung von Elektromotoren für Autos forscht, ist leichter darzustellen als die Entwicklung von Sprachen, Worten und ihrer jeweiligen akustischen, optischen und biologischen Wahrnehmung.“ Deswegen sei es für den Lokaljournalismus wie der RHEINPFALZ schwierig, die Uni den Bürger:innen nahe zu bringen. „Es ist der Spagat, zwischen dem Weltruf der Uni, den man versucht darzustellen, und der Komplexität der Themen, die für Nicht-Fachleute oft gar nicht zu verstehen sind.“ Außerdem ist es mit der Digitalisierung seit einigen Jahren gar nicht mehr nötig, dass die Lokalpresse über Vorgänge in der Uni berichtet, da die tatsächlich Interessierten über das Internet einen direkteren Zugang dazu bekommen können, so Fehr.

 

Doch wie könnte man diese Situation ändern? Die studentischen Gremien (StuPa, AStA und ZeFaR) haben das Ziel, das Studierendenleben zu verbessern. Zu diesem Zweck gibt es die Mensapartys, die Sport- und Kulturkurse und die Konviabende. Doch es ist klar, dass wir in Zusammenarbeit mit der Stadt viel mehr erreichen könnten. Mehr Zusammenarbeit bedeutet mehr Kommunikation, um Interessen auszudrücken, und natürlich auch mehr (finanzielle und personelle) Ressourcen, um diese Interessen durchzusetzen. Deswegen wollen wir selbstverständlich mehr Kooperation mit der Stadt. Für diesen Zweck hat das StuPa zum Beispiel den Stadtratsauschuss, der sich regelmäßig (einmal pro Semester) mit dem Bürgermeister trifft, um mögliche gemeinsame Aktionen zu besprechen. Dies konnte allerdings dieses Jahr aufgrund von Corona nicht stattfinden.

 

 

Auch die Stadt hat ein Interesse daran, mit der Uni zusammen zu arbeiten. Sascha Hofmann berichtet, dass man die Auswirkungen der sinkenden Studierendenzahlen seit einigen Jahren spürt: Mietleerstände und das langsame Aussterben der Germersheimer Kneipenkultur zeichnen ein klares Bild davon. Der Rückgang der Studierendenzahlen sei unter anderem auf die momentane Ausrichtung des Fachbereichs zurückzuführen, so Hofmann. Gerade in diesem Jahr hätte man gemerkt, wie wichtig die digitale Kommunikation geworden ist, deswegen findet der Stadtratsbeigeordnete es enttäuschend, dass die Diskussion über Künstliche Intelligenz im Übersetzungs- und Dolmetschbereich am Fachbereich seit über zehn Jahren nicht vorangekommen sei. Die Stadt hätte durchaus Interesse daran, die Attraktivität des Fachbereichs zu erhöhen, allerdings müsse die Initiative dazu von uns kommen.

 

 

Pamela Baus-Gade, Mitarbeiterin der Verwaltung am FTSK und ehrenamtlich vielfältig in Germersheim engagiert, wünscht sich vor allem eine größere studentische Beteiligung am Germersheimer Vereinsleben. Die Vereine tragen viel zum Stadtleben bei und sind immer offen für neue Mitglieder - allerdings scheinen sich die wenigsten Studierenden dafür zu interessieren, so Baus-Gade. "Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle die Campus-Sanitäter. Sie engagieren sich nicht nur an der Uni, sondern sind auch aktive Mitglieder im DRK Ortsverein. Dafür wurden sie bereits mit mehreren Auszeichnungen belohnt." Kooperation ist also möglich! Ein weiteres Beispiel für bereits bestehende Zusammenarbeit sind die "Musik & Bier"-Abende im Amadeus, die von zwei Dozierenden, Stefan Feihl und Marcus Wiedmann, organisiert werden.

 

 

Ideen gibt es viele, nur müssen diese auch umgesetzt werden. Thomas Fehr schlägt vor, "zu helfen, aus der Innenstadt mit sterbendem Einzelhandel eine Kneipen- und Kulturinnenstadt zu machen". Hier ist die Stadt gefragt, die Gastronomie nach Corona zu stärken, genauso sollten die Studierenden den durchaus vielfältigen Angeboten in Germersheim eine Chance geben.

 

 

Eine weitere Idee wäre, aktiven Kontakt zwischen den Gremien und Germersheimer Vereinen herzustellen. So etwas besteht bereits beim Umweltausschuss des StuPa, der mit verschiedenen Umweltinitiativen in Germersheim in Kontakt steht und schon mehrmals gemeinsame Aktionen durchgeführt hat. Diese Zusammenarbeit wäre auch in anderen Bereichen möglich. Genauso könnten die Vereine die Plattform der Gremien nutzen und beispielsweise in der Willkommenswoche für Neuimmatrikulierte Werbung für ihre Arbeit machen.

 

 

Offenbar haben alle Akteure - Uni, Studis, Stadt, Vereine - ein Interesse an einem besseren Verhältnis zueinander und an mehr Zusammenarbeit. Was bisher fehlt, ist die Bereitschaft, die Initiative zu ergreifen. Einige positive Beispiele zeigen, dass Zusammenarbeit durchaus möglich ist. Es ist in den letzten Jahren vielleicht einfach zu leicht geworden, sich hinter den Festungsmauern einzuigeln und den Status quo zu akzeptieren. Das ist allerdings ein Teufelskreis: Weniger Studis bei städtischen Veranstaltungen führen dazu, dass die Zielgruppe für diese sich immer weiter von uns entfernt, das führt dann zu einer Überzeugung unter Studierenden, dass in Germersheim ja nichts abgeht, was wiederum zur Abnahme der Attraktivität von Germersheim als Unistadt und sinkenden Studierendenzahlen führt, und so weiter. Es braucht also eine Verschiebung der Priorisierungen auf beiden Seiten: Die Stadt sollte die Uni als Chance sehen, Germersheim lebendiger, schöner und interessanter zu machen, und die Studierenden sollten ihren Aufenthalt in Germersheim nicht nur als kurze Zwischenstation auf ihrem Weg in die große weite Welt sehen, sondern als Möglichkeit, neue Orte und Menschen kennenzulernen und diese auch mitzugestalten.

 

Katharina Stevens

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