Schreiben in der Natur

Ich sitze mal wieder vorm PC, drinnen in meinem Zimmer, wie so oft in diesen Tagen. Wobei man auch ehrlich zu sich selbst sein muss, dass dieser Umstand nicht unbedingt nur diesen Tagen zuzuschreiben ist. Ein Blick durch das geöffnete Fenster zeigt mir, wie schön das Wetter draußen ist und ich beschließe kurzerhand mich mit meinem Laptop nach draußen zu setzen. Warum nicht an der frischen Luft auf der Terrasse sitzen? Vielleicht steigert das ja sogar die Produktivität und ich arbeite mal sinnvoll am PC, anstatt nur zu surfen, zu chatten und zu zocken.

 

Nun, ich sitze also draußen, die Sonne scheint mir auf den Arm und ich genieße für eine Weile die Stille und den Blick auf den heimischen Garten und für einen Moment scheint alles perfekt zu sein. Ich wohne in einem ruhigen, kleinen Ort mit etwa 8.000 Einwohnern, aber am Rand der Siedlung in einem Wohngebiet, etwas fernab wie es scheint. Ich höre Vogelzwitschern, eine Libelle schwebt vor meiner Nase herum, der sanfte Wind bringt die Bäume und Büsche im Garten ein wenig zum Rascheln. Doch wenn ich meine Ohren spitze und genauer hinhöre, fallen mir nach und nach mehr Störfaktoren auf, die mein Zusammensein mit der Natur im Garten unterbrechen. Ich höre die sich senkende Bahnschranke am eine Straße weiter gelegenen Bahnhof, die fernen Kirchenglocken, die die Mittagszeit verkünden, den Zug, der über die Gleise rauscht, ein Auto welches die Straße hinter dem Garten entlangfährt, die Nachbarn, die lautstark in ihrem Garten reden, einen Helikopter, der über den Dächern der Nachbarschaft hinwegfliegt und schließlich Sirenen, die von der weit entfernten Bundesstraße bis zu mir tönen. So viele menschliche Störeinflüsse, die mein Alleinsein mit der Natur unmöglich machen. Doch hätte ich über all das noch hinwegsehen können, wenn nicht der Nachbar gegenüber just in diesem Augenblick lautstark seinen Rasenmäher angeworfen hätte.

 

In jenem Moment beschließe ich einen Spaziergang zu machen, um nur einen Moment gänzlich allein zu sein mit der Natur, ohne irgendeinen menschlichen Einfluss zu hören, zu sehen oder auf sonstige Weise zu spüren zu bekommen. Ob das überhaupt möglich ist, frage ich mich. Mit Sicherheit gelingt das in der afrikanischen Savanne oder tief im Amazonas-Regenwald oder im australischen Outback. Doch hier zu Hause in Deutschland mit einem Spaziergang von meinem Wohnort aus?

 

Meine einzige Chance, das mit einem kurzen Spaziergang zu erreichen, ist der nahegelegene Wald. Ich laufe also am Gehweg die Straße in Richtung des Ortsausgangs entlang und verlasse meinen Wohnort. Ich muss ein Stückchen bergauf laufen und erreiche schließlich den Wald. Im Schatten der Bäume wird es ein wenig kühler, doch das kommt mir nach dem schweißtreibenden Aufstieg entgegen. Ich komme an eine Hütte mit einem Parkplatz davor. Keine Menschen anwesend, aber trotzdem von Menschen gemacht, und so beschließe ich weiterzugehen, bis mir sämtliche, menschliche Einflüsse fern sind. Auf meinem Weg sehe ich gestapelte Baumstämme am Wegrand liegen, wieder vom Menschen gemacht. Ich laufe also weiter und sehe einen Jägerstand. Ich laufe weiter, bis mir ein anderer Spaziergänger entgegenkommt. Ich laufe immer weiter den Weg entlang und habe scheinbar alles vom Menschen Geschaffene hinter mir gelassen. Ich höre nur noch die leichte Brise in den Bäumen und das Zwitschern von Vögeln. Doch dann fällt mir ein weiteres, störendes Geräusch auf – das Knirschen des Kiesweges unter meinen Füßen, auch von Menschen angelegt. Ich seufze innerlich und biege nach links ab und laufe durchs Gestrüpp, durch Äste und Baumwurzeln, bis ich mitten im Wald stehe. Vor mir sitzen ein paar Vögel auf einem umgefallenen Baumstamm und als sie erschreckt vom Knacken den Astes unter meinen Füßen wegfliegen, erkenne ich den letzten Störfaktor hier in der Natur: mich selbst.

 

 

 

von Fabian Merkel

 

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