Unser Fachbereich, wie sein aktueller Name „Translation-, Sprach- und Kulturwissenschaft“ schon erahnen lässt, bildet hervorragende Sprachen- und Kulturexperten aus, die unter anderem künftig als Übersetzer oder Dolmetscher[1] (unter dem Oberbegriff Translatoren zusammengeführt) tätig werden können. Bestätigt wird dies durch den Ruf unserer Fakultät, da beispielsweise das „Germersheimer Netzwerk“ unter Translatoren auf dem Markt als eine Art Qualitätssiegel gilt. Nun sind aber die neuen Technologien unter dem Impuls des technischen Fortschrittes derart vorwärtsgekommen, dass der Bedarf an menschlichen Fachkräften von diversen Seiten angezweifelt wird. Lohnt es sich also wirklich, ein Studium des Übersetzens oder Dolmetschens aufzunehmen und diese professionelle Ausbildung auch noch durchzuziehen, um zielführend in den Beruf einsteigen zu können?
Werden bald sowieso nicht alle einfach Englisch sprechen? Kommunikation könnte so sehr einfach sein und das Heranziehen von qualifizierten Sprachmittlern würde sich infolgedessen erübrigen. Auch die Translatoren müssen sich den Herausforderungen unserer Zeit und unserer heutigen Gesellschaft stellen. Wenn man die gesamte Entwicklung der Sprachen in der Welt betrachtet, lässt sich eine scheinbar weltweit einheitliche Sprache beobachten, die man als Lingua Franca oder Verkehrssprache bezeichnen kann. Diese Sprache scheint heutzutage Englisch zu sein – oder eher Globish, eine vereinfachte Form der englischen Sprache (Neologismus aus Global und English). Dies geschieht zu Ungunsten der Minderheitensprachen, die teilweise im Laufe der Jahre wegen dieses Prozesses immer mehr vom Aussterben bedroht sind, ganz zu schweigen vom politischen Druck. Damit geht eine bessere Ausbildung der Bevölkerung weltweit einher, die weiterhin Fremdsprachen erlernt, wobei die Wahl meistens auf die meistgesprochenen Sprachen der Welt fällt, was wiederum die vorgenannte globale Entwicklung bestätigt, weil die jeweiligen sprachlichen Gemeinschaften dadurch gestärkt werden. Vor diesem Hintergrund darf man sich wohl die Frage stellen, ob ein Beruf als Translator bzw. Sprachmittler wirklich sinnvoll und zukunftsmäßig ist.
Eine herausfordernde Marktpositionierung
„In ein paar Jahren wird es keine Übersetzer mehr geben“, urteilte der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am 25. November 2018 in einer ARD-Sendung. Dabei bezog er sich auf die neuen Technologien, die allmählich den Translationsprozess sowohl beim Übersetzen als auch Dolmetschen scheinbar so vereinfachen, dass sie vor diesem Hintergrund manchmal sogar den Lebensunterhalt der Fachkräfte zu bedrohen scheinen. Immer wieder überrascht die Übersetzungsqualität, die zum Beispiel von Programmen der sogenannten „neuronalen“ maschinellen Übersetzung wie DeepL heutzutage erreicht wird, und diese Entwicklung wird sich im Laufe der Jahre zweifellos nicht verlangsamen. So wird teils vorhergesehen, dass sich der Beruf des Fachübersetzers in bestimmten Fachgebieten schrittweise in einen des „Post-Editors” verwandeln wird. Auch die neuesten Systeme und Geräte zum Simultandolmetschen könnten das Ende dieses Berufs einläuten. Zu dieser Problematik hat sich jedoch der ADÜ Nord in einer Stellungnahme geäußert, in der der Verband den professionellen Translatoren eine noch langjährige Zukunft verspricht. Denn die neuen Technologien können zwar sehr viel erreichen, das Heranziehen menschlicher Fachleute wird aber nicht so bald vermeidbar sein. Im Kern geht es um Kommunikation und gegenseitiges Verstehen, um den Sinn und die Bedeutung, die eben aus viel mehr bestehen als aus reinen Wörtern und Sätzen. Es gibt unzählige sprachenpaarspezifische Übersetzungsprobleme, die Maschinen längst nicht werden lösen dürfen, wie etwa Humor, Ironie oder auch im Bereich der Werbung oder der Literatur sowie bei fachlichen Texten. Der Mensch unterscheidet sich von der Maschine durch seine Fähigkeit zum Denken. Diese Fähigkeit wird den Translatoren für Jahre eine gewisse Positionierung auf dem Markt sichern, weil sie in der Lage sind, eine qualitativ bessere Leistung als eine maschinell erzeugte Übersetzung anzubieten. Freiberufler haben in diesem langwierigen Kampf einen Vorsprung, weil sie ohnehin ständig ihre Qualifizierung nachweisen und verteidigen müssen gegenüber Laien, die im Übrigen Dumpingpreise ansetzen und somit den Markt durch unlauteren Wettbewerb beschädigen. Diese Qualifizierung, die beispielsweise aus Studienzeugnissen oder Beeidigung besteht, erlaubt ihnen, hohe Qualitätsstandards festzulegen und eine entsprechende Entlohnung zu verlangen. Solche Fortschritte werden von Berufsverbänden gefördert, weil sie die Interessen der Branchenfachkräfte verfechten und in der Gesellschaft einen Rahmen für politische Aktion darstellen. Nach wie vor stützen sie sich auf einzelne Individuen, die durch ihr Engagement Erfolge bewirken.
Ein vielfältiger Beruf voller Chancen
Vor der Technologie sollte man sich aber nicht scheuen. Sie bedeutet wohl eher eine Chance, die qualifizierte Translatoren ausnutzen sollten. Allein die sogenannten CAT-Tools (für Computer-Assisted-Translation) sind für die meisten Berufstätigen heutzutage unumgänglich. Diese CAT-Tools eignen sich besonders gut bei bestimmten Textarten oder Themengebieten, bei anderen aber nicht. Der Einsatz von diesen neuen Technologien und der zielgerichtete Umgang mit ihnen sollen den Translationsprozess erleichtern und von den Profis selbst- und verantwortungsbewusst gehandhabt werden. Der technische Fortschritt bietet Translatoren eine breite Palette an Herausforderungen, die wahr- und hinzunehmen und ohnehin unvermeidlich sind. In Anbetracht der sogenannten Migrantenkrise sind für Sprachmittler auch sehr viele Marktchancen wahrzunehmen. Insbesondere durch die aus der Globalisierung resultierenden Bevölkerungsbewegungen und die Migrationsströme, die aus verschiedenen Gründen (Klimawandel, Kriege, wirtschaftliche Flaute etc.) in den kommenden Jahren massiv an Intensität zunehmen und unsere Gesellschaften sehr herausfordern werden, besteht ein sehr hoher Bedarf an gegenseitigem Verstehen. Dieser Bedarf kann ausschließlich durch Kommunikationsexperten, zu denen Translatoren gehören, gedeckt werden.
Bereits als Student stößt man auf die ersten Marktchancen, weil man als Praktikant in den offiziellen Institutionen wie beispielsweise der EU oder der UNO sowie in sonstigen Sprachenunternehmen aufgenommen werden kann. Das Beispiel der EU ist sehr anschaulich, weil dieser mehrsprachige Zusammenschluss von Staaten ein Beweis dafür ist, dass die Vielfältigkeit der vertretenen Sprachen (die „offiziellen Sprachen“ der EU) in Zukunft beinahe sichergestellt wird. Der Artikel 41, Absatz 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sieht vor, dass „jede Person [...] sich in einer der Sprachen der Verträge an die Organe der Union wenden [kann] und [...] eine Antwort in derselben Sprache erhalten [muss]”. An diesem Beispiel lässt sich festmachen, dass die EU über eine politische Entscheidung die Nationalsprachen, die mitunter als Minderheitensprachen angesehen werden können, zu schützen versucht. Daran sieht man, dass gut ausgebildete Translatoren wenigstens im EU-Raum auch weiterhin gebraucht werden und somit auf dem Markt von guten Chancen profitieren können – nicht zuletzt, weil die Übersetzer und Dolmetscher, die bei der EU arbeiten, ziemlich gute Arbeitsbedingungen genießen können.
Diesen Gesichtspunkt kann man auf alle Fälle in Deutschland vertreten, weil die gebotenen Rahmenbedingungen für Translatoren äußerst vorteilhaft sind und für einen guten Markt sorgen. Interessengruppen und -gemeinschaften wie der BDÜ oder der ADÜ Nord wirken an der besseren Gestaltung des Markts mit. Der gesetzliche Rahmen ermöglicht bessere Arbeitsbedingungen. Ein Beispiel ist das JVEG, in dem Honorare für Übersetzungs- und Dolmetschdienstleistungen im juristischen Bereich festgelegt werden. Dies zeigt auch, wie wichtig das Engagement als Profi in solchen Zusammenschlüssen ist, weil ihre Mitarbeit an der Interessensverteidigung manchmal doch Früchte trägt. Je mehr sich die Akteure der Branche für ihre gemeinsamen Interessen einsetzen, desto größer wird die Sichtbarkeit des Berufs in der Gesellschaft sein. Erst wenn die Gesellschaft ihnen größere Anerkennung schenkt, können die Fachkräfte eine Statusanhebung erleben. Auch die gesetzlichen Fortschritte, die durch diese Zusammenarbeit in die Wege geleitet wurden, tragen zur gesellschaftlichen Anerkennung der Translatoren bei und bringen das Berufsbild voran, da eine feststehende Regelung die tagtäglichen Arbeitsbedingungen verbessert und als ein Sicherheitsnetz für die Fachkräfte fungiert.
Diese Problematik wird auch von den namhaften Translationswissenschaftlern angesprochen. Einige Wochen nachdem die Vermeer-Konferenz bei uns am Fachbereich stattfand, darf an dieser Stelle der – zumindest im deutschsprachigen Raum – bekannte Hans J. Vermeer erwähnt werden, der mit seiner Skopos-Theorie einen maßgeblichen Beitrag zur Entwicklung der Translationswissenschaft geleistet hat. In seinem Buch Versuch einer Intertheorie der Translation geht er neben seinen theoretischen Überlegungen auch an die Probleme heran, die es in der Praxis der Translation gibt, und kritisiert die Art und Weise, wie sie behandelt werden. Zum Beispiel erwähnt er die Tatsache, dass nicht alle Translationslehrkräfte „translatologisch“, also als Übersetzer oder Dolmetscher, ausgebildet sind, was er für schlecht hält. Er bespricht sogar den eigen- und fremdevaluierten Status der Übersetzer, den er als „niedrig“ bezeichnet, sowie die schlechten beruflichen Bedingungen der Translatoren, für die es zum Beispiel juristisch keinen Titelschutz gibt. Dabei unterscheidet er zwischen Übersetzern und Dolmetschern, da die letzteren seiner Meinung nach einen etwas besseren Status dank diversen Faktoren haben. Jedoch gibt Vermeer zu, dass die Translatoren in den letzten Jahren insgesamt eine Statusanhebung in der Gesellschaft erlebt haben, weil sich einige Dinge – einschließlich im juristischen Bereich – in die richtige Richtung verändert haben. Daran lässt sich feststellen, dass Translationswissenschaftler in ihren theoretischen Überlegungen auch ihre persönlichen Berufserfahrungen als professionelle Translatoren einbinden. Somit schlagen sie ebenfalls eine Brücke zwischen der Praxis und der Theorie, eine Verbindung, die in der Wissenschaft reichlich thematisiert wird.
Die bevorstehende Studienreform
Auch an unserem Fachbereich wird hinter den Kulissen gehandelt. So werden regelmäßig im Rahmen verschiedener Gremien neue Entwürfe diskutiert, um das Angebot der Studiengänge anzupassen. Hierbei spielt der Fachbereichsrat die Hauptrolle. Für den Auf- und Ausbau der jeweiligen Studiengänge werden in den Sitzungen nicht nur die Probleme, die am FTSK als folgenreich und ausschlaggebend erachtet werden, wie etwa die Jahr für Jahr sinkende Studierendenzahl, als Argument berücksichtigt, sondern auch die verschiedenartigen Problematiken, die die Gesellschaft in Bezug auf die hier angestrebten Berufsziele insgesamt beeinflussen. Auch weitere Herausforderungen wie etwa die sogenannte Migrantenkrise, mit der die globale Gesellschaft in den kommenden Jahren konfrontiert wird, spielen hier eine bedeutsame Rolle. Denn es geht um das Verstehen und das Sich-Miteinander-Verständigen: Dies genau fördern wir als Übersetzer, Dolmetscher, Translatoren oder sonstige Sprach(ver-)mittler. Die Globalisierung und ihre Folgen sowie die gesamte Entwicklung der Gesellschaften haben einen unmittelbaren Einfluss auf die diversen Entscheidungen, die hier getroffen werden. Denn man möchte am Fachbereich weiterhin bestqualifizierte Fachkräfte ausbilden, die dann auf dem Arbeitsmarkt herausragende Leistungen erbringen und sich auf diese Art und Weise Arbeit sichern können. Dolmetschen mit nur einer Arbeitssprache? Wider Erwarten wohl möglich und Alltag vieler professioneller Berufstätigen, die statt der Mehrsprachigkeit eine reine Zweisprachigkeit zu gebrauchen scheinen. Deshalb wird es auch bereits innerhalb der Ausbildungszeit einen M.A. Konferenzdolmetschen in der Variante AB (mit nur einer aktiven Sprache, aus der und in die gedolmetscht wird) einzuführen versucht. Auch das könnte vielleicht die Zugangsvoraussetzungen zum Studium lockern und so eine mögliche Lösung gegen mangelnde Studienbewerbungen darstellen. Anstatt einen neuen M.A.-Studiengang anzubieten, sollen die Studienschwerpunkte im M.A. Translation ebenfalls präzisiert werden, um die Ausbildung an die Bedürfnisse des Marktes anzupassen. Insgesamt sollte der Fachbereich an seiner Präsenz und Sichtbarkeit arbeiten, damit möglichst viele Studieninteressenten auf das Studienangebot aufmerksam werden und zielbewusst nach Germersheim ziehen, um als bestqualifizierte Translatoren ausgebildet werden zu können.
Nach wie vor gilt auch im Bereich des Übersetzens und Dolmetschens eine Nachfrage nach Dienstleistungen überragender Qualität. Dies kann nur durch den Besuch einer qualitätsbewussten Ausbildungsstätte gestattet und gewährleistet werden, weil die Studierenden dadurch Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben, mit denen sie für die globalen Entwicklungen der Gesellschaft ausgestattet und ausgerüstet sind. Diese fordern unseren Beruf und die Tätigkeitsausübung heraus und haben einen klaren Einfluss auf die Gestaltung des Marktes und der Ausbildungsmöglichkeiten. Unseren Beruf werden sie aber nicht so einfach zunichtemachen, erst recht, wenn die Kollegen weiterhin zusammenstehen und sich für ihre gemeinsamen Interessen engagieren, beispielsweise innerhalb von Berufsverbänden. Für ein besseres Berufsbild und hohe Qualitätsstandards muss gekämpft werden. Mehr denn je werden Kommunikationsexperten wie Sprachmittler gesucht, um Zusammenhänge und Verbindungen aller Arten professionell und verantwortungsbewusst herzustellen und somit zwei ursprünglich unlösliche Welten zusammenzubringen. Die Antwort auf die einleitende Frage lautet also: Ja, es lohnt sich auf jeden Fall!
Jonathan Gautier
[1] Das generische Maskulin ist in diesem Artikel für bessere Lesbarkeit als inkludierend zu verstehen.
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