So mancher Studierende kommt nun in den nächsten Wochen frisch aus dem Auslandssemester zurück, eigentlich voller Vorfreude, endlich die Heimat wieder zu sehen, wo Freunde und Familie sehnsüchtig den Weltenbummler mit all seinen in dieser Zeit gesammelten Geschichten und Erfahrungen erwarten - und fällt dann in ein tiefes Loch. Doch dieses Problem haben viele Heimkehrer.
Unsere Autorin hat sich mit diesem Thema für ihre Bachelorarbeit näher auseinander gesetzt...
Es ist ein unterschätztes Thema, das von der Gesellschaft oftmals abgetan oder nicht beachtet wird, im Inneren der Menschen jedoch brodeln kann. So mancher fragt sich nach dem Auslandsaufenthalt: „Warum geht es mir so komisch?“
Die schwere Form wird in der Forschung der interkulturellen Kommunikation/Psychologie auch Heimkehrerschock genannt, im Studentenmund teils auch Post-Erasmus-Syndrom oder-Syndrom.
Es lässt sich nicht verleugnen, dass Länder und Kulturen sich stark voneinander unterscheiden können. Für den einen bedeutet dieser Fakt in manchen Situationen Überwindung, für den anderen ein Abenteuer im positiven Sinne. Hat eine Person sich erst einmal auf die Faszination eines anderen Landes und dessen Kultur eingelassen, kann sie sich regelrecht in sie verlieben und sie und die ihr zugehörigen Menschen ins Herz schließen. Umso schwieriger kann sich nach einem längeren Aufenthalt die Heimkehr gestalten. Ein neu-trautes Heim und Freunde werden verlassen und man versucht, wieder in den Alltag im Heimatland zurückzufinden.
Dabei berichten viele, dass sie in ihr Heimatland zurückkamen und dabei einerseits begeistert davon waren, sich persönlich weiterentwickelt und die Welt auf eine neue Art und Weise erlebt zu haben. Andererseits freuten sie sich auf die altbekannten Plätze und Gesichter, erlebten nach einer kurzen Weile jedoch Ernüchterung.
Durch die Anpassung an eine andere Kultur hinterfragte man nun die eigene und empfand manche Aspekte plötzlich als befremdlich oder unangenehm – oder es herrschte plötzlich Unsicherheit im Umgang mit anderen; schon in alltäglichen Kommunikationssituationen, wenn die Frage aufkam wie man sich begrüßte. Manche alltäglichen Momente wurden beinahe als stressig empfunden.
Einige Heimkehrer fühlten sich außerdem nicht verstanden, weil sie ihre Erfahrungen nicht mit Jedermann oder -frau teilen konnten. Allein der sprachliche Zuwachs blieb im eigenen Land oft auf der Strecke.
Hinzu kam bei vielen der Drang, immer wieder Neues erleben zu wollen. Besonders bei Menschen, die lange Zeit in einer Ausgehkultur oder in einem Land mit vielen Ausflugszielen verbracht hatten, fühlten sich teilweise, als fiele ihnen nun die Decke auf den Kopf.
Es wird ersichtlich, dass Menschen stark auf Veränderungen des Ortes, aber auch besonders auf andersartige Kultur- und Lebensstandards reagieren können. Oft werden der psychische und physische Aspekt dabei außer Acht gelassen. Die Umstellung braucht demnach etwas Zeit und Geduld, zum Beispiel was andere Tagesabläufe, Essgewohnheiten, aber auch Denkweisen, innere Einstellungen, Erwartungshaltungen und Gesprächsthemen angeht. Man sollte auch nicht vergessen, dass Psyche und Körper eng miteinander verbunden sind. Genau wie es bei Trauer, aber auch bei Freude der Fall ist.
Natürlich reagiert jeder Mensch anders, doch aus eigenen Erfahrungen hat sich herauskristallisiert, dass es in den hier geschilderten Fällen schon geholfen hat, sich mit Menschen in ähnlichen Situationen auszutauschen, um zu wissen, dass man kein Einzelfall ist. Man sollte sich vor allem, auch wenn es bei dem ein oder anderen Menschen schnell dazu kommen kann, nicht von den Mitmenschen isolieren. Kontakte zu pflegen und Unternehmungen zu machen, ist ein guter Schritt, sich einerseits wieder mit der neuen alten Umgebung vertraut zu machen und sie zu genießen und sich andererseits von trüben Gedanken abzulenken. Bewegung an der frischen Luft und vor allem an der Sonne kann ebenso Wunder bewirken. Außerdem fokussiert man sich somit mehr auf das Positive und erlebt wieder Auftrieb und Motivation.
Um den Bezug zur erlernten Sprache und den Mitgliedern dieser Gemeinschaft nicht zu verlieren, kann natürlich der Kontakt zu den im Ausland gewonnenen Freunde in Maßen beibehalten werden. Doch im Inland bieten sich Sprachtandems vor allem an einem internationalen Campus sehr gut an. Man unterhält sich in seiner Fremd- und Muttersprache, fördert den interkulturellen Austausch und gewinnt in den meisten Fällen Freunde. Zudem kann man mit einem großen Schatz an positiven sowie negativen Erfahrungen, anderen Personen in ähnlichen Situationen gut weiterhelfen und sie beraten. Dafür können auch Buddy-Projekte sehr hilfreich sein, wenn die Teilnehmer sich darauf einlassen und sie nutzen.
Irgendwann gelangte auch ich an den Punkt, an dem ich mich wieder an die deutsche Kultur gewöhnte – allerdings trage ich trotzdem Teile einer anderen in mir und sehe sie als eine Art positive Erweiterung. Zum Beispiel störte mich die allgemein eher negative Haltung, die für mich in Deutschland vorzuherrschen scheint (der negative Touch, was Gesprächsthemen angeht) und die oftmals fehlende, aber nötige Gelassenheit. Dafür bietet Deutschland eine manchmal zu genaue, aber deshalb verlässliche Bürokratie, ein gutes Bildungssystem und unter dem Schnitt viele Zukunftsperspektiven. Die Menschen erscheinen anfangs reservierter, doch man findet treue Freunde für das ganze Leben.
Hin und wieder denkt man nostalgisch an die Zeit und die Liebsten im Ausland zurück. Doch man ist sich der Vorteile des Heimatlandes und der Liebenswürdigkeit der Familie und Freunde wieder stärker bewusst geworden, genießt diese und ist wieder rundum glücklich. Außerdem nimmt man als Konsequenz der gemachten Erfahrungen wahr: Da man bereits einige Herausforderungen meistern konnte, fallen neue auch leichter. Zum Beispiel, auf unbekannte Menschen zuzugehen, den nächsten Aufenthalt zu planen oder einen neuen Job anzunehmen.
Ich kann hiermit also sagen: die Umstellung ist möglich. Es ist alles eine Frage der Zeit und Perspektive.
Alexandra Bartelt
Die hier geschilderten Sachverhalte basieren größtenteils auf eigenen Erfahrungen und Gesprächen.
Weitere Ausführungen dazu befinden sich in zahlreichen Blogs oder YouTube-Videos, wie zum Beispiel in folgenden:
http://www.cafebabel.de/eurogeneration/artikel/die-post-erasmus-depression-wer-sie-kennt-wird-sie-zu-vermeiden-wissen.html
http://www.josenavarronyc.com/2011/06/post-erasmus-syndrome.html
http://exchangeyourlife.org/8-things-pass-post-erasmus-depression/
YouTube: NACH 1 JAHR USA nach HAUSE KOMMEN - So ist es wirklich.. #KaTeaTime http://tinyurl.com/z583ptv
- Artikel aus dem 06|kurier vom WiSe 2016/17 -
Wem das Tief nach dem Auslandsaufenthalt zu tief ist, der kann sich auch Hilfe bei der Psychosozialen Beratungsstelle des FTSK suchen. Einen Artikel zum Thema "Stress im Studium" findet ihr im
aktuellen 06|kurier, weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten auf der Seite der PBS:
http://www.fb06.uni-mainz.de/studium/430.php
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