Verzweifelt gesucht: Zukunftsstrategie für unseren Fachbereich

 

Vor nicht allzu langer Zeit erschien an dieser Stelle ein Satireartikel mit dem Titel „Quo vadis, FTSK?“, der noch ohne konkreten Anlass darüber witzelte, welche Wege unser Fachbereich wohl künftig einschlagen werde und ob angesichts knapper Kassen nicht beispielsweise die Namensrechte des AudiMax künftig an den gleichnamigen Autohersteller gewinnbringend abgetreten werden könnten.

 

Dass der Spaß meist dann aufhört, wenn Satire von der Realität eingeholt wird, ist seit mehreren Monaten an unserem Fachbereich zu spüren. Denn tatsächlich stellt sich momentan ganz nüchtern die Frage: Wo möchte Germersheim inhaltlich hin, wie macht sich der Fachbereich zukunftsfest und wo sieht er sich zum Beispiel in zehn Jahren? Weitere Fragen schließen sich daran an: Ist das hiesige Lehrangebot noch adäquat für Berufsfelder und Berufsbilder im 21. Jahrhundert? Ist Germersheim – auf ganz verschiedenen Ebenen – noch auf der Höhe der Zeit? Und falls nicht: Welche Konsequenzen würde dies nach sich ziehen?

 

Zukunftsstrategie: eine einzige Baustelle
Zukunftsstrategie: eine einzige Baustelle

Spätestens jetzt sollte allen Lesern klar geworden sein, dass dieser Text wenig mit Ironie und sehr viel mit der ernsthaften Frage zu tun hat, mit welcher Strategie Germersheim sich künftig aufstellen möchte.

Um die Zukunft skizzieren zu können, ist manchmal ein Blick in die Vergangenheit hilfreich. Diese Vergangenheit trägt ein Datum, nämlich den 17. November 2008. „Zweitausendundacht?“, werden sich nun einige Leser fragen: „Das ist aber lange her!“ An besagtem Novembertag trat die sogenannte „Zielvereinbarung zwischen der JGU Mainz und dem FASK Germersheim“ – man beachte den damaligen Namen des Fachbereichs – in Kraft. Dieses dreizehnseitige Dokument ging aus einem längeren Evaluationsprozess hervor, in dem Vorzüge und Defizite des Fachbereichs schonungslos offengelegt worden waren. Daraufhin wurde die genannte Vereinbarung geschlossen, die auch als eine Art Vertrag zwischen Germersheim und der JGU gesehen werden kann: Germersheim verpflichtete sich darin zu zahlreichen Neuerungen, Mainz wollte diesen Prozess fördernd begleiten.

 

Diese Zielvereinbarung läuft nun nach fast zehn Jahren aus – und der Fachbereich ist aufgefordert, eine neuerliche Vereinbarung zu entwickeln. Was sich auf den ersten Blick nach einem Kinderspiel anhört – wie schwer kann es schon sein, angesichts der geballten Schreibkompetenz vor Ort ein gutes Dutzend Seiten zu füllen? –, erweist sich von Monat zu Monat immer mehr als Herkulesaufgabe. Denn das Abfassen eines solchen Textes setzt voraus, dass die handelnden Personen – in erster Linie der Fachbereichsrat (FBR) samt der dort vertretenen professoralen Mehrheit – auch wissen, was drinstehen soll. Oder anders formuliert: Eine Zukunftsstrategie lässt sich nur dann entwickeln, wenn man weiß, in welche Zukunft man eigentlich aufbrechen möchte.

 

Es sei schon an dieser Stelle festgehalten, dass wir niemandem absprechen möchten, eine solche Zukunftsvorstellung für den Fachbereich zu haben. Dennoch entsteht momentan der Eindruck, dass die individuellen Visionen bereits innerhalb des Fachbereichs stark divergieren und dadurch immer unklarer wird, welchen Weg Germersheim künftig einschlagen soll. Wer an den letzten FBR-Sitzungen teilgenommen hat, wird hierfür Beispiele zuhauf finden: Wortgefechte samt persönlicher Verletzungen, Rücktritte von Ämtern, die Vertagung wichtiger Tagesordnungspunkte oder die Forderung nach externer Moderation des Strategieprozesses – die wiederum vehement abgelehnt wurde – zeigen, wie sehr um diese Thematik gerungen wird. Und die Tatsache, dass seit dem Sommer 2015, als dieses Thema zum ersten Mal auf der Tagesordnung des FBR stand, über die Strukturplanung am Fachbereich diskutiert wird, lässt einerseits zwar die Vermutung zu, dass man besonders sorgfältig vorgehen möchte, lädt andererseits aber auch zu der Interpretation ein, dass es nicht so richtig vorangeht. Konkrete Pläne oder wenigstens Einigkeit über eine Art Leitbild des Fachbereichs: bis heute Fehlanzeige!

 

Vielleicht sollte man sich in der Tat zunächst einmal vor Augen führen, was unseren Campus so einzigartig macht und weshalb es knapp 1.800 Studenten aus 80 verschiedenen Ländern in die südpfälzische Provinz verschlagen hat. Wenn man das weiß, lässt sich die von vielen gesuchte, aber noch lange nicht gefundene Zukunftsstrategie womöglich leichter ausarbeiten. Spontan und ohne Anspruch auf Vollständigkeit fallen uns die folgenden Dinge ein: die Begeisterung für Sprachen und Kulturen, die Lust am Eintauchen in neue Themengebiete, die Beschäftigung mit dem Fremdem, um es in etwas Eigenes zu übertragen, der interkulturelle Kontakt, die konkrete Lust am Übersetzen und Dolmetschen, der Erwerb zugehöriger Methoden und Techniken, die Auseinandersetzung mit neuesten technologischen Entwicklungen insbesondere im Übersetzungsbereich, die praxisnahe Beschäftigung mit zugehörigen berufsrelevanten Inhalten, etc. pp.

 

Und in den letzten Jahren hat sich ja auch einiges zum Positiven entwickelt: Vortragsreihen zur Berufsorientierung, innovative Lehrprojekte, der Austausch mit den europäischen Institutionen, eine allmählich auf der Höhe der Zeit befindliche Hard- und Softwareausstattung, der verstärkte Transfer von der Theorie auf die Praxis, der Besuch von Technologie- und Literaturmessen, die Arbeit an realitätsnahen Übersetzungsprojekten, u.v.m.

 

Und dennoch ist die Situation des Jahres 2017 eine andere als die von 2008: Neben der finanziell nach wie vor prekären Situation des Fachbereichs fällt insbesondere der Rückgang der Studierendenzahlen dramatisch ins Gewicht. Der Rückgang um über 500 Studis in so kurzer Zeit müsste längst alle Alarmglocken schrillen lassen und zu der Frage führen, ob es neben allen geographischen Gründen – nein, Germersheim wird nie sein wie Hamburg oder Berlin – und Veränderungen im „Studierverhalten“ der heutigen Generation nicht auch strukturelle Probleme gibt, die mitverantwortlich dafür sind, dass junge Menschen sich gegen ein Studium am FTSK entscheiden oder warum so viele Studis nach dem BA-Abschluss Germersheim den Rücken kehren und ihre Zukunft woanders sehen.

 

An diesem Punkt ließen sich mehrere kritische Fragen stellen, die im Rahmen einer zu diskutierenden Zukunftsstrategie nicht länger übergangen werden sollten: Wie kann es sein, dass im Bachelorstudiengang mit Deutsch als Fremdsprache das Übersetzen nahezu komplett gestrichen wurde? Wieso erleben wir, dass in einigen Fächern Übersetzungsübungen praxisnah und unter Einbezug entsprechender Tools stattfinden, in anderen Fächern hingegen übersetzt wird wie anno 1947? Wieso ist die Modularisierung unserer Studiengänge nicht so gestaltet, dass Veranstaltungen logisch aufeinander aufbauen und der Erkenntnisgewinn von Semester zu Semester steigt? Wieso ist es in einigen Sprachen möglich, spannende Lehrangebote aus dem fächerübergreifenden und meist sehr berufspraktischen Bereich zu wählen, während andere Sprachen hier äußerst restriktiv vorgehen und den Besuch dieser Veranstaltungen quasi untersagen? Wieso wird man also – je nach Sprachkombination – auf unterschiedliche translatorische Berufsbilder fundiert vorbereitet, während man woanders am Schluss bestenfalls nur „irgendwas mit Sprache“ studiert hat? Welche Rolle spielt eigentlich eine Art „interne Qualitätssicherung“? Haben die Lehrveranstaltungsevaluationen jemals irgendwelche Konsequenzen nach sich gezogen? Und wozu taugt eigentlich gleich nochmal der Bachelorabschluss?

 

Angesichts der massiven Veränderungen in der heutigen Berufswelt – in der unterschiedlichste Fähigkeiten verlangt werden, ohne dabei den Blick auf das große Ganze zu verlieren –, dem Einzug digitaler Medien und zunehmender Automatisierung, dem vermeintlichen Siegeszug der Maschinellen Übersetzung, etc. müsste eine zu entwickelnde Zukunftsstrategie doch Antworten auf zahlreiche dieser Fragen finden. Dies ist im Übrigen auch keine Absage an die angeblich „graue Theorie“ oder die wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit diesen Veränderungen – wo sonst, wenn nicht an diesem Fachbereich, sollte dies diskutiert, analysiert und womöglich hin zu einem neuerlichen Paradigmenwechsel fortentwickelt werden?

 

Diese Herausforderungen sind allesamt gewaltig – aber sicherlich auch zu bewältigen, wenn die verschiedenen Fächer, Institutionen und handelnden Personen an einem Strang zögen. Niemand möchte (wie in Saarbrücken und an anderen Stellen längst geschehen) in Kürze die Schlagzeile lesen: „FTSK nach langem Siechtum und aus Angst vor Veränderungen im 80. Jahr des Bestehens verstorben“. Stattdessen wünschen wir uns, dass wir allesamt in 30 Jahren – dann mitten im Berufsleben stehend und hoffentlich dankbar für das Studium am FTSK – dem Fachbereich von ganzem Herzen zum 100-jährigen Bestehen gratulieren können.

 

Interessantes aus der damaligen Zielvereinbarung:

 

„Der Fachbereich und die Hochschulleitung setzen sich dafür ein, insbesondere den Transfer von Studierenden des Standorts Germersheim an den Campus Mainz zu erleichtern. Vorgesehen ist dafür u. a. die Einrichtung eines Shuttle-Busses […].“

 

 „Das Angebot im Bereich der Sachfächer soll fortgeführt und ggf. durch weitere Sachfächer (z.B. Tourismus) erweitert werden.“

 

 „Der Fachbereich wird […] baldmöglichst die […] Veranstaltungsbefragung einleiten, um die Einschätzung der Studierenden und etwaige Kritik an einzelnen Lehrveranstaltungen angemessen erfassen zu können.“

 

 „Ergänzend beschließt der Fachbereich, die Ergebnisse durch das ZQ im Rahmen eines Forums vorstellen und diskutieren zu lassen, um […] ggf. Verbesserungsbedarf auf Studiengangebene zu erheben.“


- Artikel aus dem 06|kurier vom SoSe 2017 -

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