Fassungslos sitzen wir morgens in der Küche. Es ist 11/9, der Tag hat leider mit Unmut begonnen und die Gedanken und Worte überschlagen sich:
„Wie konnte das nur geschehen?“, „Die Wähler können nur geschichtlich ungebildet sein!“, „Wie soll es nur
weitergehen?!“, „Die Wahlen müssen manipuliert worden sein!“, „Da merkt man mal wieder, dass Geld die Welt regiert!". "Wie kann man sich bei ganzen zwei Parteien demokratisch nennen? Das ganze
Wahlsystem könnte auch mal reformiert werden."
Man fragt sich, wie es möglich ist, dass man derart oft über die schlimme grausame Vergangenheit - befleckt von Nationalsozialisten und der Mauer - sprechen und dabei sagen kann, dass sich etwas solches nicht wiederholen darf, im Endeffekt aber jemanden wählt, der sich öffentlich für eine Mauer zwischen den USA und Mexiko ausspricht. Und die Mexikaner sollten diese obendrein noch zahlen. Man fragt sich, ob solche Äußerungen nur Aufmerksamkeit erregen und polarisieren sollten oder eine tatsächliche Absicht widerspiegeln.
Als Folge fällt der mexikanische Peso im Wert drastisch ab.
Ein paar Minuten später: Ich schreibe meiner ehemaligen mexikanischen Mitbewohnerin, mit der ich im Ausland
mehrmals über die politische Lage in Mexiko und das dort herrschende Ohnmachtsgefühl gesprochen hatte. Ich sage ihr, dass es mir außerordentlich leidtut. Bei ihr ist es 2 Uhr nachts und sie kann
nicht schlafen, weil sie nicht weiß, wie es weitergehen soll. Sie lebt nur 2 Stunden von der Grenze entfernt und ihr Präsident würde all das tun, was Trump vorgibt, sagt sie.
Ein Blick in den Terminplaner verrät, dass am Sonntag Volkstrauertag ist. Gleichzeitig hören wir in einem Seminar gerade „La Camisa Negra“. Der Sänger singt davon, dass er schwarz trägt und trauert. Man drehe das heutige Datum 11/9 einmal um und erhalte 9/11: den Tag, der nicht nur die amerikanische Geschichte auf eine erschütternde Art und Weise prägte. Seltsam, wie doch irgendwie alles zusammenpasst.
Natürlich sollte man jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken oder sich davon den Tag schwärzen lassen – denn besonders jetzt sind die deutschen Politiker und wir als Wähler gefragt, nicht nur, weil der TTIP in der Diskussion steht.
Dazu sollte erfreulicherweise erwähnt werden, dass der heutige Tag dennoch einen Moment der Freiheit, Einheit und
Demokratie symbolisiert, an den wir denken sollten: heute vor 27 Jahren wurde die Mauer, die einst Deutschland trennte, niedergerissen.
Geben wir also rechten Vorstellungen, Radikalität und Unprofessionalität keine Chance und lassen wir Geld und Hetzerei nicht über Frieden und die Menschenwürde hinweg entscheiden!
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Judy (Mittwoch, 09 November 2016 13:04)
Wow, was für ein Artikel!!! Chapeau <3