Süßer der Groschen nie klimpert: Fachbereich 06 greift zu alternativen Finanzkonzepten

GER. Auf dem traditionellen Neujahrsempfang im Januar hatten es die Spatzen schon von den Dächern gepfiffen. Der aufmerksame Zuhörer konnte vorahnen, dass die als Ente im Jahresrückblick 2015 vom Dekan deklarierte Meldung, der Fachbereich sei auf der Suche nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten wie etwa Merchandise und Sponsoring, mehr nach sich ziehen sollte als nur Lacher seitens der geladenen Gäste. Jetzt, zu Redaktionsschluss im Juni 2016, wird immer offenkundiger, welche Strategie der FTSK verfolgt: Um die angespannte Wirtschaftslage zu entlasten, ist man in Germersheim tatsächlich dabei, innovative Finanzkonzepte auszuarbeiten und über die Veräußerung von Namensrechten einen nicht geringfügigen Obolus einzustreichen.

 

Doch zunächst ein kurzer Überblick über den monetären Status-Quo des Fachbereichs. Offenkundiger Auslöser der Misere war der Diebstahl der roten Samtvorhänge des Dekanats im Sommersemester 2013 (wir berichteten). Ohne Versicherungspolice und sonstiger Überwachung war der Verlust weder finanziell noch ästhetisch zu ersetzen. Kaum ein halbes Jahr später sollte dann auch noch das Großprojekt Germersheim 21 (Tiefbahnhof nach Stuttgarter Vorbild auf dem Campus, wir berichteten) gestemmt werden, um dem Personal am Fachbereich möglichst kurze Dienstwege zu ermöglichen. Da die deutsche Architektur- und Ingenieurskunst derzeit ohnehin nicht auf Rosen gebettet ist – man denke an Beispiele wie die Elbphilharmonie, den Flughafen Berlin/Brandenburg oder auch den o.g. Stuttgarter Hauptbahnhof – sollte das südpfälzische Bauprojekt ein erster Schritt zu alten Tugenden sein. Doch hier wurden erste, vorsichtige Expertenstimmen laut, ob weitere kostspielige Projekte wie das neue Dach des Altbaus oder die Sanierung der Außenfassade des Neubaus überhaupt notwendig seien. Daher ruhen seitdem an dieser Baustelle die Arbeitsgeräte.

 

Geld muss her – und das dringend. Erste Verhandlungen mit einem österreichischen Brausehersteller verliefen zwar konstruktiv, jedoch wenig enthusiastisch. Zu groß ist noch die Skepsis, ob der Einstieg in die Finanzierung von Geisteswissenschaften überhaupt noch einen Nutzen hat. Die eigene Marketingabteilung des Herstellers suggeriert ohnehin schon sprachlich unnachahmlich den Nutzen des Produktes. Dabei könnte die Investition in sprachenaffine Studierende horrende Prozesskosten aufgrund irreführender Werbeslogans wie jüngst in den USA reduzieren: Wer Flügel verliehen bekommen möchte, kann auch gleich Gras rauchen.

 

Ebenso steht man mit dem Hersteller einer Toilettenpapiermarke in Kontakt, um über die Produktion dreilagiger, mit Vokabellisten und Verbtabellen bedruckter Rollen zu sinnieren.

 

Denkbar ist zudem, besonders häufig frequentierte Räume am Fachbereich nicht mehr mit Raumnummern zu betiteln, sondern deren Namensrechte zu veräußern. Hörsaal R328, unter Studierenden bekannt als die Löwengrube, könnte an Nestlé verkauft und fortan als Lion's-Grube geführt werden: Vorlesungen müssten dann jedoch häufiger zur optimalen Müslizeit von 8:00 Uhr stattfinden. Über eine etwaige Namensänderung des hiesigen AUDI-max muss dabei schon gar nicht mehr diskutiert werden – eine Offerte aus Ingolstadt soll dem Dekanat bereits vorliegen.

 

Dass sich auch die studentischen Vertreter nicht vor der einhaltenden Kommerzialisierung verschränken dürfen, macht sich durch die bislang informell gebrauchte Verschmelzung von StuPa und AStA bemerkbar. Hier sollen italienisch anmutende, deutsche Pastafabrikanten Interesse zeigen, dem FTSK mit der extra samtigen Stu-Pasta kulinarisch unter die Arme zu greifen.

 

Nicht zuletzt habe der Dekan außerdem die Angestellten des Fachbereichs angewiesen, auch Individualabsprachen und private Sponsoringverträge mit größeren Unternehmen einzugehen. In derartigen Zeiten dürfe man die Studierenden nicht ausschließlich an Markennamen aus der Branche heranführen. Als oberste Direktive soll dabei von Seminarteilnehmern erwartet werden, Werbeplätze in ihre Vorträge einzubauen. Während Teilnehmer an Proseminaren noch Werbung nach freier Auswahl einbinden dürfen, soll mit steigenden Anforderungen darauf hingearbeitet werden, eine adressatengerechte Produktplatzierung zu bieten: Ein erster Vertrag zwischen Club Mate und dem Arbeitsbereich Spanisch soll derzeit ausgehandelt werden.

 

Passend dazu sollen Fachübersetzungskurse möglichst von einzelnen Großkunden bereitgestelltes Material verwenden: IKEA lässt in diesem Zusammenhang verlauten, man habe bereits testweise seine Aufbauanleitungen für die Kursstufe I bereitgestellt.

 

Aus dem akademischen Auslandsamt hört man darüber hinaus, man sei bestrebt, nicht mehr nur Kooperationsverträge mit Universitäten, sondern auch mit Reisedienstleistern zu schließen. Da Erasmus-Studierende laut eigenen Aussagen ohnehin stetig knapp bei Kasse seien, könne eine Flughafenbindung – analog zur Werkstattbindung in der KFZ-Versicherung – sicherlich einen genauso großen Anreiz schaffen wie die Festsetzung auf eine bestimmte Fluggesellschaft. So entsteht eine Win-Win-Situation, vom Flughafen Düsseldorf (Weeze) ins Auslandssemester nach Barcelona (Girona) aufzubrechen: Der Studierende hat Zeit und spart Geld, der Fachbereich verdient Geld und spart Zeit.

 

Welche dieser Vorhaben wirklich langfristig Bestand haben werden, wird sich frühestens im kommenden Wintersemester zeigen, wenn die nächste Generation an Studienanfängern das volle Programm der Kooperationsvereinbarungen in Anspruch nehmen kann. Bislang sieht es jedoch danach aus, als würde mit diesem Wirtschaftskonzept nicht nur konkurrierenden Übersetzungsinstituten sondern auch den traditionell finanzkräftigeren Naturwissenschaften in ganz Deutschland die Wacht angesagt werden.


- Artikel aus dem 06|kurier vom SoSe 2016 -

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