Zur Person: Jannis Harjus befindet sich mit der Arbeit an der Promotion auf der auf dem Gebiet der Varietätenlinguistik am Arbeitsbereich Spanisch auf der Zielgeraden. Besonders Bachelorstudierende werden ihn aus sprachwissenschaftlichen Seminaren im Fach Spanisch kennen, (Master-)Studierende könnten auch durch die Tagung zum Thema „Fußball“ am 20.05.2016 an unserem Fachbereich auf ihn aufmerksam geworden sein. Im Interview mit uns erzählt er von der wissenschaftlichen Faszination an dieser Sportart, den Neuerungen dieser EM und seinem eigenen Bezug zum Fußball.
06|magazin: Sie beschäftigen sich auch wissenschaftlich mit Fußball, am 20.05. gab es sogar eine Tagung zum Thema Fußball. Was fasziniert Sie von wissenschaftlicher Seite an diesem Sport?
Harjus: Naja, Fußball ist mittlerweile, zumindest in Europa, zu einer Art Leitdiskurs geworden. Es ist ein sportliches Phänomen, das Schnittpunkte mit vielen weiteren Bereichen gesellschaftlicher, ökonomischer und politischer Natur hat. Auch aus meiner sprachwissenschaftlichen Sicht gibt es deshalb im Bereich Fußball superviel zu erforschen, sei es Mediensprache, die Kommunikation von Fußballern oder etwaige andere Perspektiven. Einfach ein spannendes Thema!
06|magazin: Sie kommen aus dem Arbeitsbereich Spanisch. Wo sehen Sie den größten Unterschied zwischen Fußball in Deutschland und Fußball in Spanien?
Harjus: Der tägliche Stellenwert des Fußballs ist in Spanien sehr viel höher als in Deutschland. Wenn man bedenkt, dass es allein in Barcelona und Madrid 5 täglich erscheinende reine Sportzeitungen gibt, während der Kicker in Deutschland nur zweimal die Woche erscheint; 11 Freunde gar nur 1 mal im Monat. Auch die Qualität der Informationen ist eine andere: In Spanien erfährt man nach einer Verletzung Sergio Ramos wie dessen Knie aufgebaut ist. In Print- und audiovisuellen Medien stunden- bzw. seitenlang. In Spanien gibt es zum Beipiel die Radiosendung "El Larguero" die nachts zwei Stunden nur über Fußballnachrichten des Tages berichtet: 2 Millionen Leute hören da angeblich täglich zu. Demensprechend ist das Fachwissen im Bereich Fußball, meiner Meinnung nach, bei Spaniern deutlich ausgeprägter als bei Deutschen.
06|magazin: Was ist ihre schönste Erinnerung an ein großes Turnier?
Harjus: Das sind viele: bei der WM 1998 in Frankreich habe ich mit meinem besten Freund jedes Spiel
selbst kommentiert, also ohne Ton im Fernsehen geschaut und per Radiokassetterekorder uns selbst aufgenommen. Bei der EM 2008 war ich in Basel beim Spiel Portugal Deutschland vor Ort. Am schönsten war wohl die WM 2002, da ich gerade Abitur gemacht hatte und bei der Sparkasse in Hamburg den Schülerjob hatte, die Geldautomatenfüllstände zu überwachen. Da konnte ich einen kleinen Fernsehen mit in den Raum nehmen und, da ja die WM in Japan und Korea war, jedes Spiel um die Mittagszeit verfolgen.
06|magazin: Welches Stadion beeindruckt Sie am meisten?
Harjus: Ich habe viele Stadien als Zuschauer bereist. Als Jugendlicher war ich oft bei St. Pauli. Das ist immer Klasse. Da ich Gladbach-Fan bin, war ich natürlich auch am alten Bökelberg. Da war es auch super. Während meiner Zeit in Sevilla, habe ich neben dem Betis-Stadion gewohnt: tolles, altes, noch nicht so klinisch-perfekt gebautes Stadion. Bernabéu, Calderón und San Siro sind natürlich auch toll. Aber am schönsten war es, glaube ich, in Genua bei FC gegen Fiorentina. Im Herbst bin ich auf einem Kongress in Athen und will unbedingt in ein Stadion, egal ob Olympiakos oder Panathinakos.
06|magazin: Was halten Sie von dem neue Turniermodus mit 24 Teams?
Harjus: Schrecklich! Ich denke irgendwann ist doch gut mit dem Geldmachen. Immer länger, immer mehr. Irgendwann interessiert es keinen mehr. Bei allem Respekt, aber man guckt ja gerne ein Deutschland - Italien oder Frankreich- England; Albanien gegen Island muss ich jetzt nicht sehen. Aber die - in Anführungsstrichen - kleinen Nationen freuen sich sicher auch mal dabei zu sein.
06|magazin: Wie sehen Sie die vielen „kleinen“ Mannschaften in der Endrunde?
Harjus: Eben, für die ist es bestimmt toll mal dabei zu sein. Aber es ist halt echt nervig, dass 4 von 6 Tabellendritten weiterkommen: Wozu dann noch die Gruppenphase?
06|magazin: Wenn Sie Fußballprofi wären, wie würden Sie über ein Tor jubeln?
Harjus: Wahrscheinlich meistens verhalten mit der Mannschaft. Wenn es aber ein entscheidendes Tor oder gegen einen Erzrivalen wäre, dann auf Knien rutschend, mit ausgebreiteten Armen Richtung eigenen Fanblock. Oder aber so witzig wie einst Andi Möller gegen England nach seinem entscheidenden Elfer, nie aber so wie Cristiano Ronaldo. Einfach total daneben.
06|magazin: Würden Sie aus dem Effeff heraus die Abseitsregel erklären können?
Harjus: Klar! Wenn zwischen dem Angreifer und dem Torwart bei Abspiel vom Hintermann kein gegnerischer Abwehrspieler mehr steht, ist Abseits!
06|magazin: Wo / wie verfolgen Sie die EM-Spiele?
Harjus: Am liebsten alleine zuhause mit meiner Frau, die mich völlig in Ruhe gucken lässt. Auch mit Kumpels schaue ich gerne mal ein Deutschland-Spiel oder mit meinem Vater, den ich zu seinem Geburtstag besuchen werde: Da werden wir dann bestimmt viel gucken. Meine Mutter wird dann auch bestimmt mal mitgucken. Ungern aber beim Public Viewing, denn da sind so viele Leute, die nichts von Fußball verstehen und unnötig unqualifizierte Kommentare von sich geben. Das nervt mich dann tierisch! Aber diese EM wird wohl eher problematisch für mich zu verfolgen sein, da ich meine Dissertation schreibe und wohl mehr Zeit vor dem Pc als vor dem Fernseher sein werde.
06|magazin: Was erwarten Sie von der deutschen Nationalmannschaft?
Harjus: Keine Ahnung. Eigentlich nicht viel, da ich der Fraktion "Wir-haben die WM-trotz-Löw-gewonnen-nicht-wegen-Löw" angehöre. Viele Personalentscheidungen kann ich auch im Vorfeld diesr EM wieder nicht nachvollziehen - Stichwort Podolski, Schweinsteiger, Schürrle und dann Stindl, Dahoud, Brandt nicht. Ich lasse mich aber immer wieder gerne eines Besseren belehren. Diese EM ist insgesamt eine Wundertüte. Obwohl ich wie immer im Tippspiel auf Deutschland als Titelträger gesetzt habe, gibt es mit Frankreich, England und Spanien noch weitere Mannschaften, die weit kommen werden. Die Leute sagen auch Belgien, aber ich weiß nicht so recht.
Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg bei der Fertigstellung der Promotion!
Das Interview wurde geführt von: Felix Hoberg
Kommentar schreiben