Ein Hauch von Ludwig XIV. liegt in der Luft - Rennaissancetanzkurs am FTSK

Wer wünscht sich nicht einmal wie ein Ritter, ein Burgfräulein, eine Prinzessin oder gar wie Ludwig XIV. selbst zu tanzen? Diesen Traum erleben derzeit einige Studierende in der seit einem halben Jahr bestehenden Renaissance- und Barocktanzgruppe. Der erste Kurs fand im letzten Wintersemester statt. Derzeit probt der Fortgeschrittenenkurs für zahlreiche Auftritte, die dieses Jahr ihren Schatten vorauswerfen. Wir widmen uns vor allem den Tänzen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Doch wieso wenden wir uns diesen historischen Tänzen zu?



Obwohl das Mittelalter oft als finster bezeichnet wird, trifft das nicht für das Tanzen zu. Leider sind aus dieser Zeit keine schriftlichen Tanzbeschreibungen überliefert. Dennoch wissen wir von Bildern oder Liedtiteln, dass Reigentänze, Paartänze und auch Springtänze getanzt wurden. Die Tanzveranstaltungen waren für einen jungen Mann auch eine Möglichkeit, um relativ unverfänglich in Kontakt mit seiner Angebeteten zu treten. Dank der zahlreichen Spielleute, die im Mittelalter quer durch das Land zogen, sind viele Überlieferungen bis heute erhalten. Bereits im Mittelalter folgten die Tänze festgelegten Mustern, allerdings kennen wir diese heute nicht. Die Kreistänze, die heute getanzt werden, lassen sich deshalb nur rekonstruieren, weil wir sie als höfische Tänze kennen. Wie die ländliche Bevölkerung getanzt hat, ist weitgehend unbekannt.

Nach und nach veränderte sich das Weltbild des Menschen und eine neue Zeitepoche brach an: die Renaissance. Jetzt waren Kaufleute oft reicher als Adlige. Das stellten sie auch offen zur Schau und man achtete nicht mehr nur auf Äußerlichkeiten. Mit dem Individuum an sich traten auch innere Werte in den Vordergrund. Ab circa 1450 entstanden erste schriftliche Zeugnisse der Tänze. Dies war nur dank der Schaffung eines neuen Berufsbildes möglich: des Tanzmeisters. Er arbeitete für Adlige, meist am Hofe. War es Tanzmeistern nicht mehr möglich, die Tänze zu unterrichten, schrieben sie diese auf, um doch noch etwas Geld zu verdienen. Eine der bekanntesten Sammlungen an Tanzbeschreibungen stammt von Thoinot Arbeau. Er trug sie zusammen und veröffentlichte sie in einem Sammelband. Keinen dieser Tänze schrieb er selbst. Die Tanzkunst selbst entwickelte sich weiter und brachte immer neue kunstvollere Formen hervor, in denen sich der Adel üben konnte.

Dank des berühmten englischen Notenverlegers John Playford kennen wir heute mehr als 900 Figurentänze für mehrere Paare, die im 17. und 18. Jahrhundert in England entstanden und womöglich auch bereits am Hof Königin Elizabeths I. getanzt wurden, obwohl Elizabeth selbst eher von der Gaillarde und der Volta entzückt war. John Playfords 1651 veröffentlichtes Buch war mit allen Unterlagen ausgestattet, die man für ein privates Tanzvergnügen brauchte. Die Bücher, die von da an veröffentlicht wurden, bildeten eine wirkliche Tanzmode ab und somit war man immer up to date. Jedes Jahr erschien etwas Neues. Rund 30 Jahre später waren sie auch in Frankreich in aller Munde. Ein weiteres Tanzbuch, das 1706 bei Raoul Auger Feuillet erschien, erlangte ebenfalls Weltruhm. Schon bald darauf tanzte ganz Europa die so genannten „Anglaisen“ – heute als Gassen bekannt.  

Im Jahrhundert des Sonnenkönigs änderte sich erneut die Sichtweise auf den Tanz. Auch der Gesellschaftstanz musste sich nun dem Herrscher unterwerfen. Ludwig XIV. trieb es schließlich auf die Spitze. Kurz gesagt: Alles, aber auch wirklich alles, wurde zur Bühne. Die sich nun entwickelnde Theatralik hatte auch Auswirkungen auf den Körper selbst. Anders als in der Renaissance, in der der Oberkörper durch eine Ruhe geprägt war, kamen auch Armbewegungen dazu. Das war eine Neuerung. Ihr fragt euch, was diesen Tanzstil nun so interessant macht? Ganz klar: Musik und Bewegung sind perfekt aufeinander abgestimmt. Jeder barocke Tanz besticht, wie auch schon die Tänze der Renaissance, durch seine ganz eigenen Schritte und Schrittfolgen. Es ist nun nicht so, dass die barocken Tänze die Anglaisen verdrängt hätten. Im Gegenteil! Sie existierten nebeneinander und erfreuten sich großer Beliebtheit. Dank einzelner engagierter Personen, können wir auch heute noch diesen künstlerischen Reichtum genießen.

Man kann sich nun dem historischen Tanz, zu dem diese Tänze ganz klar zählen, bis ins Detail widmen. Jedoch geht dadurch die eigentliche Funktion verloren: Es soll Spaß machen und vor allem eine Kontaktmöglichkeit für Jedermann sein. Auf so manchen Tanzveranstaltungen wurden lebenslange Bindungen geschlossen oder auch neue Geschäftspartner gefunden. Mein Ziel ist es, ein breites Repertoire an Tänzen anzubieten. Darunter natürlich die leichteren Tänze, die auch auf jeden Mittelaltermarkt getanzt werden, aber auch einige „extravagante“ Tänze, die einer längeren Schulung bedürfen. Dennoch, einmal gelernt, vergisst man die Tänze so schnell nicht wieder, weil Musik und Schrittfolge ins Blut übergehen – und das soll ja auch so sein. In diesem Sinne: „Tanz ist die Poesie des Fußes“ (John Dryden). Ich würde mich freuen, wenn ich ein paar neue Gesichter im kommenden Wintersemester im Kurs begrüßen könnte.

Peter Neitzel

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