Teil IV: Felicien Guébané
Wer an unserer Uni Französisch studiert, der kennt Felicien Guébané aus FK-Kursen oder Übersetzungsübungen. Im vierten Teil unserer WM-Serie spricht der Dozent aus Kamerun über Fußballwunder seines Heimatlandes, Zinedine Zidane und seinen Lieblingsclub.
06|magazin: Guten Tag, Herr Guébané. An was denken Sie zuerst, wenn Sie das Wort „WM“ hören?

Guébané: (überlegt) Sehr ausgeprägte Erinnerungen habe ich an die WM 1990. Damals hatten wir in meiner Familie zum ersten Mal einen Fernseher und Kamerun gewann in der Vorrunde 1:0 gegen Argentinien. Wir lagen uns alle in den Armen. Nach dem Kopfballtor von Omam-Biyik habe ich in der Euphorie meine Nachbarin hochgehievt, die fast 150 Kilo wog. Ich dagegen kaum 70. Das war sehr seltsam. Ich weiß nicht, wie ich das geschafft habe. Ansonsten ist die WM natürlich zu einem tollen Event geworden, seit es Public Viewing gibt. Vor dem Sommermärchen 2006 in Deutschland hatte ich sowas noch nie erlebt.
06|magazin: Welchen Eindruck haben Sie von dem Gastgeberland der WM, Brasilien?
Guébané: Ich kann nur über das sprechen, was man in den Medien verfolgen konnte. Die sozialen Probleme und die Proteste, die es dort gibt. Dass ein Teil der Bevölkerung unzufrieden ist, wenn am Ende Geld für 14 statt 10 Stadien ausgegeben wird, obwohl andere Dinge dringender benötigt werden, kann man verstehen. Politik und Fußball sind ja immer miteinander verbunden. Ich hoffe aber, dass auf die Dauer eine tragbare Lösung für alle gefunden wird und die Spiele nicht durch Ausschreitungen getrübt werden.
06|magazin: Kommen wir zu Ihrem persönlichen Fußballbezug: Spielen Sie eigentlich selbst Fußball?
Guébané: Ja, wie fast alle Jungs in meinem Heimatland Kamerun habe auch ich schon als kleiner Junge Fußball gespielt. In Deutschland habe ich bis 1994 im Verein gekickt… das müsste der FC Neupotz gewesen sein. Ich hatte einen eigenen Spielerpass. Meine Profifußballer-Träume musste ich nach einer Sportverletzung begraben, die mich drei Monate gekostet hat. Seitdem bin ich kein aktiver Spieler mehr. Ich spiele aber in der Freizeit noch zwei Mal pro Woche in der Turnerschaft Germersheim in der Altherren-Mannschaft (schmunzelt).
06|magazin: Wenn Sie nicht gerade selbst spielen, welche Mannschaft unterstützen Sie dann? Welcher ist Ihr Lieblingsverein?
Guébané: Borussia Dortmund! Obwohl sie momentan im direkten Vergleich mit Bayern schlechter abschneiden. Ich war aber schon Fan von ihnen, als sie noch kein ernsthafter Konkurrent des FC Bayern München waren. Mittlerweile sind die finanziellen Möglichkeiten des Vereins ja ganz andere.
06|magazin: Und wie kamen Sie zum BVB?
Guébané: Das lief hauptsächlich über Freunde, die im Ruhrgebiet gelebt haben, bevor sie nach Germersheim gekommen sind. Dadurch war man irgendwie automatisch auch für den BVB. Selbstverständlich hat mich auch ihr Fußball überzeugt.
06|magazin: Gehen Sie auch mal ins Stadion?
Guébané: Nein, bis jetzt noch nie. Als Heranwachsender in Kamerun habe ich das schon mal gemacht. Ok, man kann es nicht als Stadion bezeichnen, aber ich bin jeden Sonntag zum Bolzplatz gegangen, um dort die Mannschaften zu unterstützen. Generell schaue ich Fußball eher im Fernsehen an oder auch mal beim Public Viewing. Die Technik ist ja mittlerweile so gut, dass man die Stadionatmosphäre mitbekommen kann. Ich wüsste nicht, was bei einem Stadionbesuch noch anders wäre.
06|magazin: Für viele ist es wahrscheinlich der soziale Aspekt, dass man sich im Stadion mit anderen Fans trifft. Das ist dann so etwas wie ein Hobby. Mittlerweile kann man ja auch die Bundesliga beim Public Viewing in der Kneipe anschauen…
Guébané: Richtig. Die wichtigsten Spiele kann man so auch sehen. Ich weiß nicht, vielleicht ist es die Abneigung vor großen Menschenansammlungen und dass diese außer Kontrolle geraten können, weshalb ich nicht ins Stadion gehe.
06|magazin: Gibt es ein besonderes Fußballerlebnis, von dem Sie uns erzählen möchten? Sie haben ja schon vom Kamerun-Spiel bei der WM 1990 berichtet…
Guébané: Ja, das war eigentlich das beeindruckendste Erlebnis. Danach wollten übrigens alle in Kamerun Profi-Fußballer werden.
06|magazin: Haben Sie denn einen Lieblingsspieler und wenn ja, warum genau diesen?
Guébané: Ja, Zinedine Zidane. Den habe ich für seine Technik bewundert. Dass seine Karriere so zu Ende ging (Anm. d. Red.: Mit dem Kopfstoß im Finale 2006), war natürlich sportlich nicht herausragend, aber technisch war er immer gut. Das hat mich inspiriert. Ansonsten würde ich aus dem WM-Team Frankreichs von 1998 noch Lilian Thuram nennen. Er ist für mich ein Vorbild, da er sich neben dem Fußballplatz immer gegen Rassismus und soziale Ungleichheit stark gemacht hat.
06|magazin: Wo waren Sie, als Deutschland zum letzten Mal Weltmeister wurde (1990)?
Guébané: In Kamerun. Das war gerade die erste WM, die ich richtig verfolgt habe. Für das deutsche Team habe ich mich erst interessiert, als ich nach Deutschland kam. Das war 1992. Ich lebte zunächst in Leipzig und bin 1993 nach Germersheim gekommen.
06|magazin: Wie gucken Sie die WM? Beim Public Viewing, mit Kumpels bei einem Bier oder alleine vor dem Fernseher?
Guébané: Die zweite Variante, also mit Freunden bei einem Bier. Es sind ja so viele Spiele und die WM findet mitten im Semester statt. Wenn nach einer gewissen Zeit die Begeisterung kommt, dann werde ich auch mal zu einem Public Viewing gehen.
06|magazin: Eigentlich unglücklich, dass die großen Turniere immer mitten im Sommersemester sind, oder?
Guébané: Ja, das ist wahr. Die K.O.-Spiele versuche ich schon alle anzuschauen, aber die Vorrunde finde ich sowieso nicht so interessant.
06|magazin: Und nun die Preisfrage: Wer wird Weltmeister?
Guébané: Ich glaube nicht, dass es Brasilien wird. Die werden Zweiter. Ich tippe auf ein lusophones Duell im Finale: Portugal gegen Brasilien, und Portugal gewinnt. Die Spanier sind müde und Deutschland hat keinen guten Start in der Vorbereitung hingelegt, weil so viele Schlüsselspieler verletzt oder angeschlagen waren. Trotzdem kommt die deutsche Mannschaft ins Halbfinale (Anm. der Red.: Das Interview fand vor WM-Beginn statt).
06|magazin: Wie wird Kamerun abschneiden?
Guébané: Es wird schwer, die Vorrunde zu überstehen. Sie haben Brasilien, Mexiko und Kroatien in der Gruppe. Das Spiel gegen Deutschland in der Vorbereitung hat mich zwar optimistischer gestimmt, aber nur mit Unentschieden werden sie es nicht schaffen. Das Problem des Teams ist eben, dass sie immer nur für die großen Turniere zusammenkommen, weil alle Spieler in Europa oder in Asien spielen.
06|magazin: Vielen Dank für das Interview.
Das Interview führte Alexander Brück.
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