Das 06|magazin blickt zurück: Der Vorhangklau von Germersheim

Erinnert ihr euch noch an das Sommersemester 2013? An den dramatischen Hilferuf aus dem Dekanat via Jogustine, dass mehrere rote Samtvorhänge abhanden gekommen sind? Und um die Bitte nach Rückgabe bzw. Mithilfe beim Aufspüren dieser Stofffetzen?

In der darauffolgenden Ausgabe des 06IKuriers hatte sich ein Autorenkollektiv unserer Redaktion mit der Sachlage beschäftigt und einen inzwischen legendär gewordenen, äußerst investigativ recherchierten Artikel dazu verfasst. Hier könnt ihr dessen ersten Teil noch einmal nachlesen; Teil 2 folgt in wenigen Tagen.

Germersheim/Berlin/New York (dpa/AP/AFP): Auch acht Wochen nach dem spektakulären Vorhangraub im Dekanat tappen Hochschulleitung, Polizei, das BKA, das FBI und die NATO nach wie vor im Dunkeln. Wir erinnern uns: Mitte April schreckte eine dramatische Jogustine-Nachricht den Germersheimer Campus auf. In jener Nachricht wandte sich das Dekanat hilfesuchend an die Öffentlichkeit, nachdem Unbekannte zuvor eine nicht näher definierte Anzahl roter Samtvorhänge entwendet hatten. Anfangs gingen alle Beteiligten von einem Versehen aus, denn wer kennt das nicht: Zwischen dem Mittagessen in der Mensa und dem Gang in die Bibliothek kann es durchaus passieren, dass man auf dem Weg dorthin zufällig und ungewollt einen Samtvorhang in seinen Rucksack oder seine Handtasche steckt. Doch die aus Sanierungsgründen im Flur des Altbaus gelagerten Vorhänge verschwanden quasi über Nacht; seither fehlt von ihnen jede Spur.


Vielen Beteiligten schien zunächst nicht klar zu sein, was es mit diesem „abscheulichen Verbrechen“ (der Geschäftsführer) auf sich hat. Aus AStA-Kreisen war zunächst vermutet worden, dass die Entfernung der Vorhänge im Rahmen der neuen Transparenzoffensive der Hochschulleitung geschehen sei (Motto: Für mehr Licht als Schatten am FTSK). Ähnliche Äußerungen des neugewählten Dekans schienen diese Theorie in der Tat zu bestätigen. Seitdem jedoch die grausige Wahrheit bekannt wurde, ist die Situation in Germersheim nicht mehr wie zuvor. Der komplette Campus wird seither von Heerscharen von Bauarbeitern belagert, denen „von ganz oben“ (O-Ton aus der Verwaltung) der Auftrag gegeben wurde, keinen Stein auf dem anderen zu lassen und nach den Vorhängen zu suchen. Selbst das Dach ist eigens dafür abgedeckt worden; in mühevoller Kleinarbeit wird nun unter jedem Ziegel nach den Vorhängen gesucht. An einen geregelten Hochschulbetrieb ist seit April denn auch nicht mehr zu denken, gleichwohl wird die Prioritätenliste des Dekanats kaum in Frage gestellt. Permanente Ruhestörung, defekte Sanitäranlagen, gesperrte Zugangswege, verkürzte Bibliotheksöffnungszeiten: die zu erbringenden Opfer sind natürlich nur Kleinigkeiten im Vergleich zur nahezu zivilisatorischen Aufgabe der Wiederbringung einiger Samtvorhänge.


Quo vadis, FTSK? In der Tat ist man sich auch in Expertenkreisen nicht sicher, wie mit der angespannten Lage weiterhin umgegangen werden soll. Aus Mainz wurde verlautet, dass Germersheim freie Hand bei der Wahl der Mittel zur Wiederbeschaffung der Vorhänge hätte. Der Krisenstab des Fachbereichs konnte sich bisher allerdings noch zu keinem umfassenden Maßnahmenkatalog durchringen. Alle Optionen seien auf dem (nun hell erleuchteten) Tisch des Dekanats. Dazu gehören eine Wiedereinführung des Numerus clausus – Begründung: Wo weniger Studenten, da auch weniger Gefährder – ebenso wie stärkere Einlasskontrollen am Haupt- sowie den beiden Seiteneingängen. Dabei wolle man sich insbesondere die bereits mit großem Erfolg getestete Eye-Tracking-Technologie zunutze machen, das dortige Bildgebungsverfahren jedoch umkehren, um am Ende eine Art „Nacktscanner“ zu erhalten. Künftige Vorhangdiebstähle seien damit praktisch ausgeschlossen, so eine Vertreterin des Fachbereichs (siehe dazu auch Teil 2).


Hilfe erhofft sich die Hochschulleitung ausnahmsweise vom Bund. Obwohl Bildung nach wie vor Ländersache ist, müssten in dieser „schweren Stunde“ (Dekan) alle aufrechten Vorhangbesitzer enger zusammenrücken. Aus diesem Grund hat nicht nur das BKA die Ermittlungen teilweise übernommen, sondern auch bei den Kollegen des FBI sowie dem NATO-Rat in Brüssel um Amtshilfe gebeten. Nur eines scheint festzustehen: In dieser dramatischen Angelegenheit ist der letzte Vorhang noch nicht gefallen.


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