Tribes, Translations, Troubles

Die Germersheim Theatre Company hat auch in den vergangen Ferien wieder viel Zeit investiert, um zu Semesterbeginn ein Stück auf die Beine zu stellen. Unter der Regie von Kristian Thees feierte das Stück „Tribes“ von Nina Raine am Montag den 11.11. im Theaterkeller des FTSK Premiere.


Das Licht geht an und die Zuschauer sehen eine ganz normale Familie am Esstisch sitzen. Auch wenn normal bei dieser Familie aber vielleicht der falsche Ausdruck ist. Vater Christopher (Kristian Thees) ist Schriftsteller und pocht auf die Bedeutung der Sprache für das Verstehen der Welt, Mutter Beth (Caroline White-Göttsche) hat sich der Belletristik verschrieben und arbeitet gerade an einem neuen Roman. Die Kinder Ruth (Julia Weiland), eine angehende Opernsängerin, und Daniel (Robert Niemetz), der dabei ist seine Thesis zu verfassen, leben wieder im Haus ihrer Eltern, weil sie sich, laut Christopher, in der wirklichen Welt nicht zurechtgefunden haben. Der dritte Sprössling der Familie, Billy (Christian Rönspies), ist von Geburt an gehörlos. Seine Eltern und Geschwister haben sich nie darum bemüht, die Gebärdensprache zu lernen und so muss Billy versuchen den hitzigen Diskussionen seiner Familie durch Lippenlesen zu folgen. Dann trifft er jedoch auf Sylvia (Patricia Graham), deren Familie gehörlos ist und die sich selbst damit konfrontiert sieht, das eigene Gehör zu verlieren. Durch sie lernt er die Welt der Gehörlosen kennen, mit der er sich, zum Teil durch den elterlichen Einfluss, bisher nicht hatte anfreunden können. Plötzlich scheint er seinen Platz gefunden zu haben und gewinnt an Selbstvertrauen. Wie seine Familie jedoch darauf reagiert, müsst ihr euch selbst anschauen.

Mal ist die Bühne erfüllt von lauten Diskussionen und Streit zwischen den Familienmitgliedern, mal herrscht absolute Stille, wenn sich Sylvia und Billy in Gebärdensprache unterhalten. Das Stück spielt mit Gegensätzen: laut und leise, witzig und nachdenklich, Hören und Gehörlosigkeit.

Christian Rönspies spielt den Billy unglaublich überzeugend. Obwohl Billy weniger spricht, als die anderen Figuren, schafft es Christian durch seine Mimik und Körpersprache Billys Charakter und Gefühle voll auszudrücken. Die Verzweiflung, mit der Billy versucht seinen Platz in der Familie zu finden, lässt Christian den Zuschauer spüren.

 

Wer Billy zeigt, dass auch er verstanden werden kann, ist Sylvia, gespielt von Patricia Graham. Als Mittlerin zwischen Hörenden und Gehörlosen vereint sie Wort und Gebärde und schafft es, eine Verbindung zwischen den gegensätzlichen Polen innerhalb der Familie herzustellen. Sylvias Probleme und ihre Zerrissenheit zwischen den Welten bringt Patricia dabei sehr stark und gefühlvoll rüber.  

Für die lauten Familienverhältnisse sehr dezent, aber eingängig und vor allem überzeugend spielt Caroline White-Göttsche die starke und liebende Mutter. Engagiert und mit vollem Körpereinsatz stürzt sie sich als Beth in die obligatorischen Ehezwistigkeiten mit Christopher.

 

Der Vater wiederum wird hervorragend von Kristian Thees verkörpert. Dass Christopher seine Kinder auf die Nerven zu gehen scheinen, wird in Kristians lebendigem Spiel sehr deutlich. Das Sperrfeuer von Sarkasmus und Geringschätzung gegenüber seinen Sprösslingen lebt dabei vom Feingefühl des Schauspielers, der den trocken-bissigen Humor nie ins Böswillige umschlagen lässt.

In die Rolle der Ruth, der schnippischen Tochter von Beth und Christopher, schlüpft Julia Weiland. Wie auch der Rest der Familie schnell mit der Zunge, führt sie ein unstetes Leben ohne klare Vorstellungen. Diese unklare Linie und gewisse Verträumtheit und Naivität der Figur, sowie die damit einhergehenden Emotionen spielt Julia voll aus und sorgt so dafür, dass Ruth nicht zur Zicke verkommt, sondern ebenso zum tragischen Teil der Familiengeschichte beiträgt.

 

Daniel, dargestellt von Robert Niemetz, zeigt als schlagfertiger, aber gequälter Sohn eine weite Palette an Emotionen, die Robert scheinbar mühelos umsetzt. Sei es Witz im schnellen Schlagabtausch mit Ruth oder Christopher oder die Tragik der stillen Momente, Mimik und Körpersprache vermitteln, wie auch Billy zu Beginn feststellt, ebenso viel wie das formulierte Wort, an dem der Rest der Familie so verzweifelt hängt.

 

Auch die hervorragende Licht- und Tontechnik von Christian Degel darf natürlich nicht unerwähnt bleiben. Durch das punktgenaue Schalten verschiedener Effekte wird die Leistung der Schauspieler akustisch und visuell weiter unterstrichen.

Der vollbesetzte Theaterkeller ließ am Applaus eindeutig erkennen, dass das Publikum ebenso viel Freude an dem Stück hatte, wie auch das Ensemble auf der Bühne, dem der Spaß am (Zusammen-) Spiel deutlich anzusehen war.

Lasst euch „Tribes“ nicht entgehen! Weitere Aufführungen finden am 13./15./16. und 17. November jeweils 19:30 Uhr im Theaterkeller statt. Karten gibt es an der Abendkasse oder im Vorverkauf im Foyer des Neubaus für 5 €.

 

Michal Ziolkowski

Michaela Montag

Fotos: The Germersheim Theatre Company


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