Es ist kurz nach zehn Uhr morgens, als über dem Atlantik eine neuerliche Sturmfront aufzieht, die schon wenig später auf das kleine Küstendorf Gleann Cholm Cille treffen und über Straßen und Felder hinwegbrausen wird. Während draußen Hagelkörner die Umgebung in eine surreale Winterlandschaft verwandeln und selbst die sonst so wetterfesten Schafe Schutz suchen, muss ich zugeben, dass es sicherlich auch wärmere Orte für einen Auslandsaufenthalt im August gegeben hätte. Inzwischen hat Andrew, der Kursleiter, den Raum betreten, kurz in die Runde geblickt und die äußere Szenerie mit einem lakonischen „Tá drochaimsir ann arís*“ kommentiert.

Seit 1984 bietet das Kulturinstitut Oideas Gael Irisch-Sprachkurse für Interessierte aus aller Welt an. Obwohl Irisch erste Amtssprache in Irland ist und 2007 sogar den Rang einer EU-Amtssprache erhalten hat, wird es in der Republik Irland nur noch von einigen wenigen zehntausend Sprechern täglich verwendet, welche größtenteils im äußersten Westen der Insel leben. Zwar ist der Staat darum bemüht, Irisch weiterhin als lebendige Sprache zu erhalten, etwa indem er irischsprachige Schulen besonders fördert, jedoch ist die Zahl der Muttersprachler seit Jahrzehnten rückläufig und immer seltener wird Irisch als Erstsprache an den eigenen Nachwuchs weitergegeben. Das liegt zum einen daran, dass Irisch noch immer mit Rückständigkeit und Armut verbunden wird, zum anderen aber auch an der überaus dominanten Stellung des Englischen, welches den kulturellen Alltag prägt, den sozialen Aufstieg garantiert und, wie immer wieder gesagt wird, schlichtweg „cooler“ ist.
Diesem Pessimismus möchte man bei Oideas Gael nicht verfallen. Mehrere Wochen im Sommer werden dort zahlreiche Aktivitäten angeboten, die allesamt Irisch als Medium der Vermittlung nutzen. Neben Sprachkursen in verschiedenen Schwierigkeitsstufen sind insbesondere die „Cúrsaí Cultúrtha“ zu erwähnen, die Hillwalking, Archaeology, Marine Painting sowie Flute & Whistle Playing umfassen. Interessant ist darüber hinaus ein Kursangebot, das sich mit den Schwierigkeiten der Übersetzung ins Irische befasst.

Der Unterricht findet täglich von 10 bis 13 Uhr und von 14 bis 17 Uhr statt. Da es nicht mein erster Irischkurs ist, werde ich in Level 2 eingruppiert. 20 Teilnehmer aus aller Welt beschäftigen sich eine Woche lang hauptsächlich mit gesprochenem Irisch, lernen Sätze, die einem im Pub das Leben retten oder neue Freunde gewinnen können, sprechen über Familie, Hobbys und Arbeit und erkennen sehr schnell, wie viel Kultur und Geschichte in einer Sprache, ja in einem einzigen Wort, stecken können. Auch abends wird für Unterhaltung gesorgt: Wir lernen Gedichte und Volkslieder, hören einen Vortrag über die keltischen Vorfahren, besuchen Ausgrabungsstätten und dürfen uns beim „Céilí“-Tanz versuchen (welcher der einen oder dem anderen vielleicht noch aus der Party in der dritten Klasse auf der Titanic in Erinnerung ist). Abgerundet wird ein jeder Abend standesgemäß in einem der drei Pubs im Ort, wo bei Live-Musik alles Gelernte praktisch angewendet werden kann (und wo nicht selten am Ende des Abends der Satz „Tá mo shaith agam**“ fällt).
Nach einer Woche möchte sich eigentlich noch niemand so richtig auf den Heimweg begeben. Das liegt vor allem an der sehr warmherzigen und freundlichen Atmosphäre, die einen in Gleann Cholm Cille erwartet, sowie an der Begeisterung aller Mitarbeiter von Oideas Gael, Sprache und Kultur zu vermitteln. Zu guter Letzt ist es aber auch die reizende Landschaft Donegals, deren Zauber man sich nur schwer entziehen kann. Bhí sé go hálainn***!
Hier gibt es weitere Informationen.
* Es ist schon wieder schlechtes Wetter.
** Ich habe genug (getrunken).
*** Es war wunderbar.
Text und Fotos von Torsten Dörflinger
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