Eine Liebesgeschichte zwischen Honig und Quantenphysik

Endlich wieder Theater! Vom 13. bis 18. Mai sorgte die Germersheim Theatre Company unter der Leitung von Kristian Thees für einen proppenvollen Theaterkeller und begeisterte uns wieder einmal mit einem englischsprachigen Stück der Extraklasse. Diesmal gab es Nick Paynes Constellations, mit Patricia Graham und Kristian Thees in den Hauptrollen, zu sehen.

Da die Aufführung so ein großer Erfolg war, gibt es am 26. und 27. Mai zwei Zusatzveranstaltungen.


Roland ist Imker, Marianne ist Quantenphysikerin. Roland weiß alles über Bienen, Marianne beschäftigt sich mit der Frage nach der Existenz von Paralleluniversen. Unterschiedlicher könnten zwei Menschen kaum sein und dennoch besteht die Möglichkeit, dass sich zwei so gegensätzliche Menschen treffen, unterhalten, verabreden und sogar verlieben.
Wenn man davon ausgeht, dass es eine unendliche Anzahl von Paralleluniversen gibt, die sich bei jeder von uns getroffenen Entscheidung weiter verzweigen, so entstehen unzählige Möglichkeiten, wie unser Leben verlaufen kann. Diese Theorie aufgreifend wiederholt sich jede Szene mehrmals, jedoch immer mit einem anderen Ausgang.
So lernen sich Marianne und Roland beispielsweise auf einer Grillparty kennen: Mal finden sie sich von vornherein unsympathisch, mal ist Roland mit seiner Ehefrau da, mal ist er gerade frisch getrennt. Nach dem ersten Date schickt Marianne Roland nach Hause, oder ist es doch Roland, der „am nächsten Morgen ganz zeitig rausmuss“? So verzweigt sich die Handlung immer weiter: An jeder wichtigen Station ihrer gemeinsamen Geschichte gibt es unzählige Möglichkeiten, wie sich ihre Beziehung entwickeln kann. Nur wenn das Geschehen an jeder Abzweigung den optimalen Verlauf nimmt, besteht die Möglichkeit einer glücklichen Liebesgeschichte. Dabei wird deutlich, wie zufällig unser Dasein eigentlich ist. Jeder Moment, den wir erleben, ist bestimmt durch eine Reihe von Zufällen in der Vergangenheit, die zu genau dieser Gegenwart geführt haben. Diese im Grunde einfache und nicht ungewöhnliche Liebesgeschichte wirft zermürbende Fragen auf: Ist unser Leben vorherbestimmt? Haben wir überhaupt einen freien Willen? Ist angesichts eines solchen Multiversums all unser Bemühen und Streben nicht vergeblich?
Im Verlauf des Stücks wird immer wieder ein kurzer Einblick in das vermeintlich tragische Ende dieser Liebesgeschichte gewährt. Doch während all die möglichen Szenarien ihrer Entwicklung gezeigt werden, keimt immer wieder die Hoffnung auf ein Happy End auf.

Dieses Stück war wieder einmal schwere Kost und hinterließ die Zuschauer mit einem mindestens doppelt so schweren Kopf wie vor der Aufführung. Plötzlich stellt man sich Fragen nach dem Sinn des Lebens und warum man gerade jetzt eigentlich genau da ist, wo man eben ist.
Die Inszenierung kam mit erstaunlich wenig Requisiten aus: Ein paar blaue und weiße Ballons im Hintergrund, ein Zettel und ein Verlobungsring waren alles, was sich neben den Darstellern Patricia Graham und Kristian Thees noch auf der Bühne befand. Doch das Stück lebte von den Dialogen zwischen den beiden, von dem raschen und abrupten Wechsel des Szenarios, der durch nichts weiter als Lichteffekte eindrucksvoll dargestellt wurde. Es ist erstaunlich, welch eine große Wirkung sich trotz so weniger Mittel entfalten kann. Jedes zusätzliche Element auf der Bühne hätte aber vermutlich nur Ablenkung und Zerstreuung bedeutet.Die Mimik, Gestik und Sprechweise der beiden Darsteller war mehr als raumgreifend. Die Aufführung dauerte 70 Minuten, von denen sich jede einzelne gelohnt hat.

Wer sich das Stück bis jetzt noch nicht angesehen hat, dem empfehle ich, die Gelegenheit zu ergreifen und eine der Zusatzvorstellungen am Sonntag oder Montag zu besuchen.

 

Text von Doreen Stolle

Foto von Patrick Neumann

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